Barbara. Eine junge, stilbewusste und intelligente Frau am Anfang einer vielversprechenden akademischen Karriere. Wir kennen uns seit einigen Jahren und haben manchmal auch über Fotografie gesprochen. Bis es dann eines Tages hieß: “Hey, lass uns doch mal was zusammen machen”. Gesagt, getan. Ort und Zeit vereinbart, über den Shooting-Stil kurz nachgedacht, Outfits festgelegt. Am Ende sind ein paar richtig gute Fotos entstanden. Einige in Farbe, anmutend sinnlich, mit viel Platz für Kopfkino und andere in klassischem Schwarz-Weiß. Wieder einmal hat Barbara bewiesen, dass sie beiden Wörtern, mit denen man sie in ihrem Job anspricht, mehr als gerecht wird: In ihr steckt mindestens so viel “Frau” wie auch “Professor”.
Und doch wird genau an dieser Stelle der Widerspruch offensichtlich. Unsere moderne Gesellschaft redet uns ein, dass wir keine eindimensionalen Individuen sind. Wir haben vielseitige Interessen und Kompetenzen, sollen wandlungsfähig bleiben um auch morgen noch unsere Zukunft selbst bestimmen zu können. Glänzt man dann aber in mehr als einer Thematik, wird man schnell ausgegrenzt. Oder bekommt einen Karriere-Riegel vorgeschoben.
Von “practice what you preach” also noch keine Spur. Alles muss exklusiv bleiben: man kann entweder mit seinem Aussehen Karriere machen, oder mit seinem Kopf. Wer hübsch ist, tut besser daran, sich dumm zu stellen. Wer intelligent ist, sollte besser einen dicken Wollpullover und Hornbrille tragen. Klischees, die ad infinitum reproduziert werden. Und so wird auch Barbara ihre sinnlichen Bilder der Welt vorenthalten müssen. Damit die Kirche im Dorf bleibt, wie man so schön sagt.
Ergo
Die Frage allerdings bleibt bestehen: Warum zweifeln wir bei schönen Körpern an den Inhalten im dazugehörenden Kopf und umgekehrt? Das eine schließt das andere ja nicht zwingend aus. Ist der neidische Affe in uns immer noch so stark? Wer von der Natur mehr bekommt, hat eben Glück gehabt und wir sollten lernen, dies einzugestehen. Denn dadurch könnten wir lernen, den Anblick der körperlichen Ästhetik einfach zu genießen. Ohne Neid. Ohne Besitzanspruch. Und ohne den Bedarf, die abgebildete Person über den Kontrast zu definieren, der sich aus der Art des Fotos mit der Position ergibt, die der- oder diejenige in der Gesellschaft einnimmt.
Ach, übrigens: Unterm Kissen trug Barbara beim Shooting einen Bikini. Es gab also gleich viel zu sehen, wie in jedem öffentlichen Schwimmbad. Und das zeigt wiederum, was sich unser Kopf beim Anblick eines Fotos alles dazu denkt. Mehr zum Thema “dazudenken” gibt’s dann im nächsten Blog-Beitrag.

Was für eine Überraschung!
Ceci n’est pas une femme nue. Wunderschöne Bilder und intelligente Texte. Wird bald eine meiner beliebsten Lektüren sein
[…] im letzten Beitrag bereits angekündigt, geht es in meiner Fotografie um das, was ich Kopfkino nenne: die feine Linie […]